Wer Fair Trade Produkte kauft, hofft damit einen Beitrag zu leisten: für bessere Lebensbedingungen der Menschen, die die gekauften Produkte produziert haben. Leider leistet Fair Trade scheinbar oft nicht das, was es verspricht. Neue Studien zeigen, dass Fair Trade nicht unbedingt zu besseren Bedingungen führt. Denn: Auf die Qualität kommt es an!
ERFOLGE VON TRANSFAIR & GEPA
Vorab möchte ich betonen, dass Fair Trade die globale Diskussion bezüglich fairer Handelsbeziehungen für Produzenten von z.B. Kaffee oder Bananen überhaupt erst in Gang gebracht hat. Ein positiver Schritt Richtung „Umdenken“, den wir in keinster Weise schmälern wollen. Transfair ist ein absoluter Vorreiter für den fairen Handel.
Auch die 1975 offiziell gegründete GEPA - the fair trade company leistet einen maßgeblichen Beitrag zur positiven Entwicklung fairer Handelsbedingungen und ist heute größter europäischer Importeur von Lebensmitteln und Handwerksprodukten. GEPA versteht sich selbst als Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt.
2013 wurden laut Webseite von Fair Trade Deutschland zertifizierte Produkte im Wert von EUR 654 Mio gekauft. Die grüne Kaffee Bohne ist nach wie vor das meist gehandelte Fair Trade Produkt. Demnach wurden allein in Deutschland im letzten Jahr ca. 11.000 Tonnen Fair Trade zertifizierter Kaffee konsumiert, was gegenüber dem Vorjahr einem Plus von ca. 20% entspricht. Die Fair Trade Prämie betrug dabei ca. EUR 4,3 Mio. Insgesamt hat sich innerhalb Deutschlands der Konsum von Fair Trade zertifizierten Produkten (Kaffee, Bananen, Blumen, etc.) seit 2003 mehr als verzehnfacht!
GRÜNDE FÜR FAIR TRADE
Der Handel mit zertifizierten Fair Trade Produkten scheint aus verschiedenen Gründen erfolgreich zu sein: Größere Produktvielfalt, die wachsende Zahl an Fair Trade Produzenten, größeres Engagement im Handel und die gesteigerte Nachfrage durch Endverbraucher und Konsumenten. Nicht zuletzt tragen auch solide recherchierte und seriöse Dokumentationen dazu bei, Bürger zu informieren und auf Schwachstellen und teilweise kriminellen Machenschaften industrieller Großproduzenten in diversen Branchen aufmerksam zu machen. Billig um jeden Preis? Bürger denken um.
Quelle: www.fairtrade-deutschland.de
Tatsächlich wächst die Nachfrage nach zertifiziertem Kaffee mittlerweile zum neunten Mal in Folge. Gleichzeitig „liegt der Marktanteil von Fairtrade-Kaffee bei 2,1 Prozent.“ (https://www.fairtrade-deutschland.de/was-ist-fairtrade/wirkung-von-fairtrade/zahlen-und-fakten.html) Viel zu wenig, meinen wir und glauben fest daran, dass fair gehandelter Kaffee die Zukunft ist.
WERTE VS. TATEN
Ich kenne so gut wie niemanden, der das Fair Trade Label nicht kennt oder es noch nicht gesehen hat. Ich kenne auch niemanden, der Fairen Handel eine schlechte Idee findet oder absichtlich weniger für Kaffee ausgeben möchte, damit es Lohnarbeitern in Afrika, Lateinamerika und anderen Kaffeeanbauländern schlechter geht. Ganz im Gegenteil.
Meine Freunde und Bekannte wollen in fair gehandelte Produkte investieren: Neben der Frage nach Bio-zertifiziertem Kaffee nehme ich „Fairness im Umgang mit Kaffeebauern und –produzenten“ als ein wachsendes Bestreben unserer Gesellschaft wahr. Dieser Wert des Fairen Handelns und die Nachfrage nach Bio Produkten hat mit Wertschätzung zu tun: für das Produkt, für die Natur und für den Menschen, der dafür gearbeitet hat.
Gleichzeitig frage ich mich: wenn fast 100% der Konsumenten das Fairtrade Label kennen, meiner persönlichen Schätzung nach ca. 80% Fair Trade für gut befinden – warum kaufen dann lediglich 2,1% der Kaffeetrinker Fair Trade zertifizierten Kaffee oder Espresso? Sollte der Anteil nicht viel höher sein?
Ist die Definition von „Fair Trade“ zu schwammig? Oder sind vielleicht die Profiteure von Fair Trade zu weit weg und spielen daher in unseren alltäglichen Entscheidungen keine Rolle? Sind die zertifizierten Produkte einfach zu teuer? Sind die Deutschen einfach zu skeptisch und misstrauen den Strukturen von Fair Trade NGOs?
MEHR GEGENWIND FÜR FAIR TRADE. ZURECHT?
Schon in der Vergangenheit haben zahlreiche Studien die Effektivität von Fair Trade Zertifizierungen in Frage gestellt. Leider werden viele der anfänglich positiven Bemühungen durch Intransparenz und hoher Komplexität überschattet. Im letzten Jahr haben neue, intensive Untersuchungen von Wissenschaftlern des Afrika Instituts der University of London die Kritik an Fair Trade neu entfacht. Es wurden ca. 1700 Interviews mit Menschen aus Uganda und Äthiopien durchgeführt, darunter auch zahlreiche Kaffeebauern, Kaffeekooperativen und Lohnpflücker. Dabei wurde einer Leitfrage nachgegangen:
„Wer arbeitet zu welchen Bedingungen auf konventionellen und auf Fair-Trade Landwirtschaftsbetrieben?“
(http://www.srf.ch/news/international/fairtrade-mitarbeiter-mit-miserablen-loehnen)
STUDIEN-ERGEBNISSE: MISERABLE LÖHNE FÜR FAIR TRADE ARBEITER
Dass Kleinbauern, Lohnarbeiter und saisonal Beschäftigte im ländlichen Afrika zu den Ärmsten der Armen gehören verwundert nicht. Wir sind quasi daran gewöhnt. Erstaunt sollte man dennoch sein, wenn Fair Trade Betriebe laut der Studie der University of London sogar niedrigere Löhne zahlen als konventionelle Betriebe – so eine Schlüsselerkenntnis aus der Untersuchung.
Fragen Sie sich jetzt auch, wo Ihre zusätzlich bezahlte Fair Trade Prämie gerade versickert? Nicht zu unrecht. Als Konsument, der bereit ist einen höheren Preis zu bezahlen, um globalwirtschaftlich einen Beitrag zu leisten, sollten wir diese Frage stellen dürfen.
Weiter konnte während der Studie festgestellt werden, dass Fair Trade Arbeiter zwar besseren und leichteren Zugang zu Geldwertevorteilen hatten, gleichzeitig aber noch öfter deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen vorfanden als Arbeiter von konventionellen Betrieben.
Und die Studie geht sogar noch weiter: Während häufig erwähnt wird, dass Transfair durch die Fairtrade Prämie hilft Schulen oder medizinische Einrichtungen zu bauen, mussten die Wissenschaftler scheinbar feststellen, dass gerade die Armen selten Zugang zu diesen Einrichtungen erhalten – selbst dann nicht, wenn sie als Lohnarbeiter für die zertifizierten Betriebe arbeiteten.
Weiterführende Informationen und Details zur Untersuchung können über die Research Seite der SOAS University of London eingesehen werden. http://www.soas.ac.uk/news/newsitem93228.html
WAS BEDEUTET DAS FÜR UNS ALS KONSUMENTEN UND FÜR UNS ALS ANBIETER VON SPEZIALITÄTENKAFFEE?
Bei carabica – fine coffee culture haben wir uns logischerweise ebenfalls mit dem Fairtrade Siegel, Transfair und GEPA befasst. Einige Wochen lang haben wir über den Sinn und Unsinn der Fair Trade Zertifizierungen diskutiert und überlegt, wie wir Kaffee Kleinbauern am besten helfen können.
Unser Fazit: Wir haben uns gegen eine Zertifizierung entschieden, weil wir glauben, dass Fairer Handel keiner strengen und starren Richtlinie entspricht, sondern als Teil der täglichen Arbeitsethik den Umgang mit Mensch und Natur positiv beeinflussen sollte. Dies können wir nur leisten – als Online Shop für Spezialitätenkaffee oder als kaffeetrinkender Konsument – wenn wir Fairness und den Respekt vor Mensch und Natur als Grundwerte in unser Glaubenssystem übernehmen.
Unsere Handelsmodelle des "fairen Handels" oder "direct trade" belohnen echte Qualität mit einem Preis, der um ein Vielfaches höher liegt als der Weltmarktpreis. Genau wie Fairtrade Standards festlegt, sind auch für uns direct trade Standards wichtig, die weit über den Preis allein hinausgehen. Vielmehr wollen wir uns auf Qualität und Beziehung konzentrieren: die Grundlage für Fortschritt.
„Wenn man gewillt ist, für Kaffee […] etwas mehr auszugeben, dann lohnt es sich, Qualität zu kaufen.“ – so der Studienautor Bernd Müller. Wir stimmen zu: Fairer Kaffee Handel und der kompromisslose Fokus auf Qualität sind Schlüsselelemente für Kaffeeproduzenten weltweit ein nachhaltiges Einkommen zu sichern.
Fairtrade ist und bleibt ein wichtiger treibender Faktor in der Diskussion um fairen Kaffeehandel. Die Komplexität der Herausforderungen ist enorm und keine Zertifizierung kann per Knopfdruck alle Probleme lösen. Als Konsument haben wir eine Entscheidung zu treffen: zertifiziert oder konventionell.
Offen bleibt für mich die Frage: Bin ich bereit umzudenken und sowohl Fairness und Respekt als auch Qualität als Grundwerte in mein Konsumenten-Bewusstsein zu integrieren? Ich bin es.
Bist du es auch?
Referenzen:
- Podcast mit dem Studienleiter: http://www.cbc.ca/thecurrent/popupaudio.html?clipIds=2460966902
- Die Untersuchung im Detail: http://www.soas.ac.uk/news/newsitem93228.html
- Fairtrade Deutschland: https://www.fairtrade-deutschland.de/produkte/absatz-fairtrade-produkte/
- Schweizer Rundfunk: http://www.srf.ch/news/international/fairtrade-mitarbeiter-mit-miserablen-loehnen
- Huffington Post: http://www.huffingtonpost.de/dieter-scholl/fairer-handel-ist-nicht-immer-fair_b_5496394.html?utm_hp_ref=wirtschaft
-
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