Die einen lieben ihn. Die anderen hassen ihn.
Donald Trump hat die Amerikaner gespalten wie kein anderer US Präsident.
Und dann streiten sie. Die US-Amerikaner. Welcher der zwei Kandidaten sei das kleinere Übel? Schließlich gibt es ja nur 300 Millionen potentielle Anwärter.
Aber gut.
So ähnlich kommt es mir manchmal vor bei der Auswahl des Kaffeegetränks.
Die einen lieben ihn. Die anderen hassen ihn.
Espresso hat die Gesellschaft gespalten wie kein anderes Getränk.
Für die einen gibt es nichts Besseres. Die gehypte Vollendung italienischer Kaffeekunst. Konzentriert auf 25ml reines Aroma.
Die anderen finden ihn bitter, zu klein oder einfach zu stark.
Helle Espressi schmecken sowieso nicht. Die sind ja sauer.
Dabei hat das Kaffee-Universum in ihren endlosen Kaffeeplantagen, Anbaugebieten, Aufbereitungsarten, Röst- und Zubereitungsmethoden noch so viel mehr zu bieten.
Ob es mehr als 300 Millionen sind, kann ich nicht sagen. Aber drei fallen mir ganz spontan ein.
- Verfechter des Espresso stützen sich auf die klassische Form des Getränks. Wir haben über die Definition des Espresso und den God Shot ausführlich berichtet.
- Im Studium habe ich oft einen "Lungo" bestellt. Damals hatte ich absolut keine Ahnung, was ein Lungo überhaupt ist. Ich wollte einfach etwas mehr Kaffee. Der Espresso war mir zu klein.
- Beim Ristretto schauen die Deutschen in die Tasse und fangen an zu meckern. Man will mehr für sein Geld.
Das hätte auch ich sein können.
Espresso, Lungo, Ristretto.
Da haben wir die drei Protagonisten.
Bist du bereit loszulegen?
In diesem Blog-Artikel zeige ich dir wie du schnell und einfach neben dem Espresso weitere Kaffee-Spezialitäten zubereiten und genießen kannst. Du lernst,
- was die Unterschiede, Vor- und Nachteile jeder Zubereitungsart sind,
- warum dein Ristretto und dein Lungo schmeckt wie Spülwasser und was du dagegen tun kannst, und
- welche Tools dich bei der Zubereitung unterstützen.
BONUS: Zum Schluss schauen wir uns an, mit welchen weiteren Espresso-Variationen du nicht nur deine Großmutter beeindrucken wirst.
Vielleicht wirst du mir aber auch das größte Kompliment machen: ausprobieren.
Ich bin ein großer Fan von praktischem Wissen. Was du hier liest, soll dir helfen den Lungo und Co neu zu entdecken und an deiner eigenen Maschine auszuprobieren.
Und damit du das besser hinkriegst als der AI Roboter ohne Geschmack, fangen wir jetzt an.
Ganz am Anfang. Bei den "Espressobohnen".
Die Dauerfrage nach den "richtigen Bohnen"
Ich hatte mal eine Blindverkostung veranstaltet. Für Freunde.
Was meine Freunde nicht wussten: ich hatte heimlich einen Tchibo Kaffee unter die blind verkosteten Kaffeesorten gemischt.
Es kam wie es kommen musste: einer meiner Freunde behauptete tatsächlich "die Nummer 5! Die Nummer 5 ist mein Lieblingskaffee".
Im ersten Moment war ich natürlich enttäuscht. Hätte er nicht meinen mit Liebe handwerklich gerösteten Kaffee nennen können?
Kaffee ist ein sehr subjektives Empfinden. Mein Freund war einfach an Tchibo Kaffee gewöhnt. Er war ihm vertraut. Für ihn war klar: so schmeckt Kaffee.
In diesem Moment lernte ich jedoch eine sehr wichtige Lektion: es gibt sie nicht, die perfekte Bohne. Den "besten Kaffee".
Genauso wenig gibt es "Espressobohnen". Es gibt auch keine "Filterkaffeebohnen".
Espresso und die 11880
Was es aber gibt: auf Espresso abgestimmte Röstungen. Natürlich kannst du auch mit Espresso-Röstungen einen Filterkaffee machen.
Genauso kannst du mit deinem Schraubenzieher einen Nagel in ein Brett schlagen.
Oder mit dem Ofen deine Wäsche trocknen.
Das geht. War aber nicht Teil der Konzeption.
Kaffeeröster kaufen auch nicht "irgendeinen" Kaffee, um ihn braun zu machen und dann in Tütchen abzufüllen.
Jeder Kaffeeröster hat bereits vor dem Kauf von Rohkaffee ein konkretes Vorhaben für diesen Kaffee. Er weiß, welche Lücke im Sortiment gefüllt werden sollte und wie das Aromaprofil des Kaffees am besten zur Geltung kommt.
Deshalb, Tipp #1: frag deinen Röster.
Dein Röster sollte in der Lage sein, dir Bohnen zu empfehlen und ein "erstes" Rezept für deinen Espresso zu geben. Dies ist dein Startpunkt. Mehr aber auch nicht.
Zu unterschiedlich sind eure Setups. Unterschiedliche Mühlen, verschiedene Maschinen, anderes Wasser. Nicht vergleichbar.
Vergleichen müssen wir aber trotzdem. Und zwar unsere drei Protagonisten:
Wie unterscheiden sich Espresso, Ristretto und Lungo grundsätzlich
Wir sollten uns zunächst auf ein paar wenige Spielregeln einigen:
Ich komme aus der Praxis. Ich bin Messe-Barista. Ich bin leidenschaftlicher Heim-Barista. Alle meine Angaben hier sind aus meiner persönlichen Praxis.
So, wie ich es tagtäglich mache.
Wie es mir schmeckt.
Sofern du die technische Zubereitung eines Espresso sehen willst, kannst du dich hier austoben: Der ultimative Leitfaden für den perfekten Espresso.
Solltest du hier aber aufmerksam mitlesen, bekommst du praktisches, umsetzbares Wissen.
Genau so würde ich es auch im Barista Kurs für viel Geld erzählen.
Bereit für die Praxis?
Espresso
Der Espresso ist natürlich der bekannteste unter den Dreien. Er ist der Klassiker und die Basis für die meisten Milchmischgetränke (z.B. Cappuccino, Latte Macchiato oder Cortado).
Wie oben schon angedeutet: Espresso ist keine Bohne, sondern eine Zubereitungsform. Viele Maschinenhersteller werben mit "9 bar Druck". Tatsächlich ist das eine Faustregel, keine Naturkonstante. Manche moderne Maschinen fahren mit variablen Druckprofilen, um mehr Kontrolle über die Extraktion zu bekommen. Auch 6 oder 11 bar können – je nach Ziel – sinnvoll sein.
Und tatsächlich verwende ich an meiner Sanremo YOU ein typisches Druckprofil für die meisten Extraktionen, das sanft beginnt, die Mitte betont und am Ende stark abfällt. So erhalte ich meist einen von der Süße dominierten, aromatischen Espresso.
Ich beziehe einen doppelten Espresso mit 18-21g Kaffeemehl bei einer Bezugszeit von 23-30 Sekunden und einem Output (in der Tasse) von 23-28 ml. Natürlich messe ich mit der Feinwaage nicht die ml, sondern Gramm.
Die meisten Barista, die ich kenne, verwenden ein Brew Ratio von 1:2 bis 1:3 (maximal).
Das Aromaprofil eines Espresso ist intensiv, kräftig und zeigt eine ausgewogene Balance aus Bitterkeit und Säure. Die meisten Espressotrinker lieben eine dichte, karamellfarbene Crema.
Ristretto
Der Ristretto ist dem Espresso sehr ähnlich.
Er ist kleiner als ein Espresso. Denn: beim Ristretto, auf Italienisch "beschränkt" oder "eingeschränkt", wird der Brühvorgang verkürzt. Wir verwenden schlicht weniger Wasser.
Typischerweise landen in der Tasse ca. 15-22 ml Kaffee-Extrakt. Der Mahlgrad ist beim Ristretto etwas feiner als beim Espresso. Dadurch erfährt das Wasser während des Bezugs einen höheren Widerstand. Die Bezugsdauer kann zwischen 15 und 25 Sekunden variieren.
Oft wird fälschlich angenommen, ein Ristretto sei einfach ein halb so großer Espresso. In Wirklichkeit verändern sich mehrere Parameter gleichzeitig: Mahlgrad, Menge an Wasser, Extraktionszeit. Man kann also nicht einfach die Maschine stoppen, wenn die Hälfte durchgelaufen ist – das Ergebnis wäre meist unausgewogen.
Im Kern ist der Ristretto ein noch konzentrierteres Getränk als Espresso, mit einer intensiven Geschmacksfülle, viel Süße und weniger Bitterkeit. Pro Milliliter enthält ein Ristretto bezogen auf sein Gesamtvolumen also mehr Aromastoffe als ein Espresso.
Das liegt daran, dass in den ersten Sekunden des Bezugs vor allem die gut löslichen, geschmacklich angenehmen Komponenten extrahiert werden (Säuren, Zucker, fruchtige Aromen). Bitterstoffe und unerwünschte Tannine folgen meist später.
Der Ristretto endet also gewissermaßen dann, wenn es am Schönsten ist.
Aufgrund des geringeren Volumen, enthält ein Ristretto weniger Koffein als ein Espresso.
In der Third-Wave-Kaffeeszene wird der Ristretto teils neu interpretiert, z. B. mit modernen Brew-Ratios (z. B. 1:1 statt 1:2). Einige Baristas nutzen ihn gezielt, um fruchtige Microlots besonders süß und intensiv zur Geltung zu bringen.
Jetzt, zum Lungo. Dem wohl meist missverstandenen langen Bruder des Espresso.
Lungo
Lungo, auf Italienisch "lang", wird durch einen leicht längeren Brühvorgang hergestellt, bei dem mehr Wasser durch das Kaffeemehl fließt. Das bedeutet aber nicht, dass du einfach nur laufen lässt und wartest.
Den Espresso einfach länger laufen zu lassen wird nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Dies führt lediglich zur Überextraktion.
Ein überextrahierter Espresso wird meist unangenehm bitter, holzig und leer im Geschmack. Der Lungo hingegen ist gezielt auf längere Extraktion ausgelegt – mit gröberem Mahlgrad und oft angepasstem Rezept.
Die erste Hälfte der Extraktion eines Espressos bringt Süße, Körper und Frucht. Die zweite Hälfte: mehr Bitterkeit und „dry finish“. Ein Lungo kann daher deutlich herber wirken – das ist gewollt, aber Geschmackssache.
Vielleicht ist der Lungo deshalb in der Schweiz sehr beliebt.
Beim Lungo mahle ich den Kaffee etwas gröber als beim Espresso. Im Ergebnis läuft der Lungo schneller als ein Espresso. Das Wasser hat geringeren Widerstand. Dennoch ist die Kontaktzeit natürlich länger - da mehr Flüssigkeit durch den Puck muss.
Klingt erstmal verwirrend, ist aber logisch.
In der Tasse möchte ich ca. 60ml, in jedem Fall zwischen 60 und 70ml messen. Die Bezugszeit kann dann ca. 35-45 Sekunden sein. Der Brew Ratio ist ca. 1:3 bis 1:4.
Der Lungo ist ein milderer, längerer "Espresso". Er ist vom Mundgefühl weniger "dicht", hat also weniger Körper. Allerdings kann ein Lungo aufgrund der längeren Extraktion auch mehr Bitter- und Gerbstoffe lösen und dadurch herber bis adstringierend schmecken. Das mag nicht jeder.
Auch die Crema wird geringer ausfallen im Vergleich zum Espresso. Visuell ist der Espresso sehr viel beeindruckender!
Die drei im Überblick
Hast du das Bild oben aufmerksam angeschaut? Die Unterschiede sind recht subtil. Das ist einerseits die Schwierigkeit bei der Kaffeezubereitung. Andererseits genießen wir die unfassbare Vielfalt, selbst, wenn nur Kleinigkeiten am Brührezept verändert werden. Geschmacklich machen sich diese unterschiedlichen Herangehensweisen stark bemerkbar.
Das liegt unter anderem am Zusammenspiel zwischen Dosierung und Mahlgrad.
Zusammenspiel aus Mahlgrad und Dosierung
Dein Röster hat sehr wahrscheinlich eine ganz andere Mühle in seiner Küche stehen als du. Vielleicht eine mit 83 mm Mahlscheiben, die klingt wie ein startender Düsenjet. Oder eine kleine Haushaltsmühle, die leise vor sich hin schnurrt. Und selbst wenn ihr zufällig das gleiche Modell habt – die Feineinstellungen unterscheiden sich.
Deshalb: Orientiere dich an den allgemeinen Richtlinien. Nicht sklavisch an Gramm, Sekunden oder Markenangaben. Du kannst Kaffee zur Wissenschaft machen, keine Frage. Für mich persönlich ist Kaffee eher wie Jazz: ein paar Regeln, viel Gefühl.
Ganz einfach gesagt:
Einfach ausgedrückt: feinerer Mahlgrad = mehr Widerstand für das Wasser = längerer Bezug = mehr Intensität in der Tasse.
Ein gröberer Mahlgrad lässt das Wasser schneller durchrauschen, was zu weniger Extraktion führt – und oft zu einer wässrigen, sauren Tasse. Zu fein? Dann kommt kaum was raus, du überextrahierst, und es schmeckt bitter, trocken, holzig.
Wie du deine Mühle einstellst, solltest du im Idealfall schon mal gemacht haben. Falls nicht: Schau dir unseren Mahlgrad-Tutor an – da findest du die wichtigsten Basics verständlich erklärt.
Keine Sorge, du musst dafür keinen Barista-Diplomkurs absolvieren.
Kleiner Tipp am Rande: verändere immer nur eine Variable. Ich würde dir vorschlagen mit einer fixen Dosierung von 17 oder 18g Kaffeemehl zu starten und zunächst nur den Mahlgrad zu verändern.
Was machst du draus?
Wie beim Kochen: Ob du aus Tomaten eine Suppe, eine Soße oder einen Sud machst, entscheidet sich nicht an der Frucht – sondern daran, was du daraus machen willst.
Alle drei Varianten basieren auf denselben Zutaten – Wasser, Druck, Mahlgrad, Temperatur, Zeit – aber die Verhältnisse machen das Erlebnis.
Die Geschichte mit meinem Freund und der Blindverkostung hat übrigens dann doch noch ein Happy End. Heute kauft er begeistert meine Kaffeesorten und probiert sich experimentierfreudig durch die Welt der Spezialitätenkaffees.
Next Chapter
Hast du auch Lust, dich darauf einzulassen? Dann probiere doch mal folgende Varianten, die dir gefallen könnten:
Cortado > zunehmend beliebt auf meinen Messen!
Ein Espresso, der mit der gleichen Menge heißer Milch gestreckt wird. Der Cortado ist kleiner als ein Cappuccino, dafür intensiver im Geschmack – weniger Milchschaum, mehr Balance.
Espresso Macchiato > für alle, die es kleiner bevorzugen
Ein Espresso mit einem Klecks Milchschaum oben drauf. "Macchiato" heißt „gefleckt“ – also quasi ein Espresso mit Haube. Ideal, wenn du Espresso magst, aber nicht ganz pur.
Doppio > der intensive Wachmacher
Der doppelte Espresso – mehr Kaffee, mehr Wumms. Meist 18–21 g Kaffeemehl, etwa 36–44 g in der Tasse. Kein Hexenwerk, sondern Standard in der Spezialitätenkaffeeszene.
Caffè Freddo > eher was für zu Hause
Gekühlter, gesüßter Espresso – oft mit Eiswürfeln im Shaker zubereitet. Beliebt in Italien, besonders an heißen Tagen. Süß, stark, eiskalt.
Corretto > zum Feierabend vielleicht?
Ein Espresso „korrigiert“ mit einem Schuss Alkohol – meist Grappa, Sambuca oder Brandy. Der Corretto ist nichts für den Morgen, aber perfekt nach dem Essen.
Caffè Moca (bzw. Mocha) > statt Dessert
Espresso trifft auf heiße Schokolade und Milchschaum. Cremig, schokoladig, süß – irgendwo zwischen Kaffee und Dessert. Beliebt bei denen, die sich langsam an Espresso herantasten wollen.
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